Entertainment
Die erfolgreichsten Games aus Deutschland
| Redaktion
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06.03.2024
Große Games werden entweder in den USA oder in Japan entwickelt: Eine alte Faustregel, die immer häufiger von aufsehenerregenden Ausnahmen bestätigt wird. In Europa sitzen Blockbuster-Studios tendenziell in Großbritannien, Polen, Frankreich oder Schweden – doch auch Deutschland hat im Laufe der letzten dreieinhalb Dekaden Beiträge geleistet, an die man sich gern erinnert.
Wenn hier nachfolgend einige der “erfolgreichsten” Vertreter aus der Bundesrepublik (ohne konkrete Reihenfolge) versammelt werden, beziehen wir uns wohlgemerkt nicht einzig und allein auf die kommerzielle Schlagkraft einzelner Titel. Immerhin bleiben Games am Ende des Tages auch durch ihren ausgeübten Einfluss, etwa durch technische Pionierarbeit oder die Etablierung langlebiger Franchises, in Erinnerung. Nicht ganz aus den Augen verlieren wollen wir außerdem die Schöpfer und Studios hinter den Spielen, die von hier aus den Weg in die weite Welt gefunden haben. Continue!
Turrican
Erscheinungsjahr: 1990 | Entwickler: Rainbow Arts
Nachdem “The Great Giana Sisters” der damals in Düsseldorf ansässigen Rainbow Arts schon 1987 für Furore sorgen konnte, setzte das Studio mit dem federführend von Manfred Trenz entwickelten “Turrican” ein weltweit wahrgenommenes Ausrufezeichen: Der scrollende 2D-Shooter mit Science-Fiction-Setting wurde von Gamern und der Fachpresse vor allem für seine beeindruckende Technik gelobt, die erst aus dem Commodore 64 und wenig später aus dem Atari nicht für möglich gehaltene Leistung herausgekitzelt hat. Für den Atari-Port des Spiels waren die Kölner von Factor 5 verantwortlich, die wir hier im Übrigen noch ein weiteres Mal sehen werden. Rainbow Arts, ursprünglich im ostwestfälischen Gütersloh gegründet, hat es derweil leider nicht ins aktuelle Jahrtausend geschafft und ging in den späten Neunzigern in THQ auf. (Bild: ININ Games / Factor 5)
Far Cry
Erscheinungsjahr: 2004 | Entwickler: Crytek
Nicht weniger als zehn verschiedene Ubisoft-Studios haben am 2021 erschienenen Millionenseller “Far Cry 6” mitgearbeitet, die sich unter anderem über Montreal, Toronto, Shanghai, Bukarest oder auch Berlin verteilen. Zumindest eine partielle Heimkehr, denn das Debüt der Serie wurde von Crytek entwickelt; ein durch die deutsch-türkischen Brüder Cevat, Avni und Faruk Yerli zunächst in Coburg gegründetes Studio. Vergleichsweise offene Spielareale in einem gleichermaßen traumhaften wie geheimnisvollen Insel-Setting ließen bereits viele der Zutaten erkennen, die die Reihe ab dem dritten Teil zu einem der populärsten Action-Franchises der Branche machen sollten. Auch auf grafischer Seite war “Far Cry” seinerzeit ein echter Hingucker – ein Aspekt, den Crytek im großen Stil noch einmal aufgreifen sollte. (Bild: Crytek / Ubisoft)
Die Siedler
Erscheinungsjahr: 1993 | Entwickler: Blue Byte
Mit einer bis 1988 zurückreichenden Unternehmensgeschichte zählen die Düsseldorfer von Blue Byte zu den langlebigsten Entwicklerstudios des Bundesrepublik. Nachdem ihr Strategiespiel “Battle Isles” schon 1991 auf Anklang stieß, bildete der Start der “Die Siedler”-Serie zwei Jahre später das Fundament einer Erfolgsgeschichte: Unter der Leitung von Volker Wertich entstand ein Aufbauspiel, das gemäß des Titels jedoch auch zur militärisch unterstützten Erweiterung der eigenen Gebiete einlud. Zahlreiche Sequels, Neuauflagen oder Browser-Varianten folgten, während Blue Byte selbst bereits seit 2001 zu Ubisoft gehört und heute neben dem Düsseldorfer Hauptsitz auch Studios in Mainz und Berlin unterhält. Wertich hingegen hat sich mit Envision Entertainment selbstständig gemacht und in Form von “Pioneers of Pagonia” erst im letzten Dezember einen neuen Genre-Vertreter vorgelegt. (Bild: Blue Byte)
Enshrouded
Erscheinungsjahr: 2024 | Entwickler: Keen Games
Der jüngste Eintrag dieser Zusammenstellung entfällt auf dieses actionreiche Survival-Rollenspiel, das die Frankfurter von Keen Games im Januar 2024 in den Early Access geschickt haben. Und es wurde abgeholt: Mehr als eine Million Verkäufe innerhalb der ersten vier Tage stellen mehr als nur einen Achtungserfolg für das Studio dar, das vorher für “Sacred 3” und “Portal Knight” verantwortlich zeichnete. In einer fantasievollen Spielwelt gilt es, mit Monstern und Schätzen gefüllte Gebiete zu erkunden und in den etwas sichereren Gefilden sesshaft zu werden – vielseitige Möglichkeiten zum Bau der eigenen Niederlassung inklusive. Bis zu 16 Personen können sich dabei gleichzeitig ins Abenteuer stürzen; ähnlich der deutlichen “Valheim”-Inspirationsquelle. Die “fertige” Version soll Ende des Jahres erscheinen. (Bild: Keen Games)
Star Wars: Rogue Squadron
Erscheinungsjahr: 1998 | Entwickler: Factor 5
Neben der bereits gewürdigten Rolle in der Geschichte von “Turrican” gehört die “Rogue Squadron”-Trilogie aus dem “Star Wars”-Universum zu den größten Errungenschaften von Factor 5. Mit seinerzeit beeindruckender Grafik war es Fans erlaubt, sowohl ikonische als auch unverbrauchte Schauplätze des SciFi-Märchens mit den daraus bekannten Flugmaschinen zu bereisen – natürlich stets im nervenaufreibenden Kampf gegen das Imperium. Auf den Erstling auf dem Nintendo 64 folgten zwei Sequels für den Gamecube, die allesamt in enger Kooperation mit LucasArts entstanden sind. Und streng genommen wurden sie nicht auf deutschem Boden entwickelt: Die Nähe zum großen Kollaborateur und die laut Präsident Julian Eggebrecht “arrogante Missachtung der Deutschen gegenüber dieser Art von Entertainment” veranlasste das Kölner Team schon 1996 zur Umsiedlung nach Kalifornien. (Bild: Lucasfilm / LucasArts)
Die Anno-Reihe
Erscheinungsjahr: 1998 | Entwickler: Max Design, Related Designs / Ubisoft Blue Byte
Wo wir schon dabei sind, den Länderrahmen ein wenig auszudehnen: Die Wirtschaftssimulation “Anno 1602”, die den Grundstein für eine bis heute fortgeführte Serie legte, wurde bei den inzwischen inaktiven Österreichern von Max Design entwickelt – mit Sunflowers kam immerhin der Publisher aus der Bundesrepublik. Erst mit dem dritten Teil, “Anno 1701”, ging auch das Development in deutsche Hände über; Related Designs aus Mainz durften mit zehn Millionen Euro das bis dahin größte deutsche Gaming-Budget nutzen. In den Folgejahren reiste die Reihe thematisch unter anderem in die Zukunft, ehe Related von Ubisoft übernommen wurde und ins Mainzer Blue Byte-Studio aufging. Dort wurde zuletzt (im März 2023) der Konsolen-Port des vielfach preisprämierten “Anno 1800” verantwortet. (Bild: Ubisoft)
Desperados: Wanted Dead or Alive
Erscheinungsjahr: 2001 | Entwickler: Spellbound Entertainment
Armin Gessert war bereits an der Entwicklung von “The Great Giana Sisters” beteiligt und gründete nach seiner Zeit bei Rainbow Arts ein eigenes Studio namens Spellbound Entertainment, ansässig in Offenbach. Deren größter Hit war dieses im Wilden Westen angesiedelte Echtzeit-Taktikspiel mit Stealth-Fokus, das sich in puncto Gameplay an der “Commandos”-Reihe orientiert und auf die smarte Kooperation verschiedener Figuren setzt. Ein Sequel erschien 2006, ehe Armin Gessert drei Jahre später viel zu früh an einem Herzinfarkt verstarb. Spellbound Entertainment schloss 2012 seine Pforten, doch “Desperados” blieb in Deutschland: Den dritten Teil von 2020 entwickelten Mimimi Games – leider hat sich das Münchener Studio vor wenigen Monaten ebenfalls aufgelöst. Mehrere Spellbound-Alumni gründeten nach dem Aus ihres Studios wiederum Black Forest Games. (Bild: THQ Nordic / Spellbound Entertainment)
Crysis
Erscheinungsjahr: 2007 | Entwickler: Crytek
“…but can it run Crysis?” war unter PC-Spielern lange die (oft mit einem Augenzwinkern gestellte) Standardfrage, um die Leistungsfähigkeit von Hardware einordnen zu können. Nachdem Crytek die “Far Cry”-Markenrechte an Ubisoft abgetreten hatten und nach Frankfurt umgezogen waren, widmeten sie sich diesem futuristisch angehauchten First-Person-Shooter. Dessen Grafik war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung schlichtweg das Nonplusultra auf dem Markt, sodass den Titel zunächst nur eine verschwindend geringe Menge an Gamern in seiner vollen Pracht spielen konnte. Über Jahre hinweg diente er deshalb, ganz unironisch, als Benchmark-Test. Die zwei Sequels von 2011 und 2013 hatten weniger technischen Impact, erreichten als Multiplattform-Titel aber auf Anhieb ein breiteres Publikum. (Bild: Crytek / Electronic Arts)
Gothic
Erscheinungsjahr: 2001 | Entwickler: Piranha Bytes
Die Gründung von Piranha Bytes ist untrennbar mit der Entwicklung von “Gothic” verknüpft. Mit dem Debüttitel konnte das damals in Bochum ansässige Studio aus dem Stand ein Fantasy-Rollenspiel vorlegen, das bis heute in Ehren gehalten wird – erst letztes Jahr erschien ein andächtiger Port für die Nintendo Switch. Eine für damalige Zeit stattliche Präsentation, die weitläufige Spielwelt, Dialogtiefe und eine taugliche Geschichte haben den Aufenthalt in der Minenkolonie von Khorinis denkwürdig gestaltet. Kommerziell war “Gothic” vor allem hierzulande erfolgreich; neben einer Haupttrilogie mit Sequels in 2002 und 2006 ruht mit “Arcania” auch ein Spinoff (von Spellbound Entertainment) in den Geschichtsbüchern. Unter dem Dach von THQ Nordic entsteht derzeit ein Remake zum Debüt der inzwischen in Essen angesiedelten Piranha Bytes. Die wiederum befinden sich Anfang 2024 leider in schwieriger Lage; trotz weiterer Nischen-Lieblinge wie den “Risen”- und “Elex”-Serien. (Bild: Piranha Bytes / THQ Nordic)
Spec Ops – The Line
Erscheinungsjahr: 2012 | Entwickler: Yager
Während sich die “Call of Duty”-Reihe auf dem gefühlten Höhepunkt ihrer Popularität befand, legten die Berliner von Yager ein Spiel vor, das dem typischen Militärshooter der späten Nuller / frühen Zehnerjahre voll zu entsprechen schien. Wer mehr als einen oberflächlichen Blick riskierte, erkannte jedoch eines der eindrucksvollsten Anti-Kriegsspiele überhaupt: Angelehnt an die auch schon in “Apocalypse Now” adaptierte Handlung des Romans “Heart of Darkness” verschlägt es ein Spezialkommando in das von einem Sandsturm verwüstete Dubai, wo sich ein abtrünniger Colonel mit seiner Einheit aufhalten soll. Durch die betonte Darstellung moralischer Ambivalenz und das schonungslose Aufzeigen von Kriegsgräueln bot der Titel einen gehaltvollen Kontrast zum Jingoismus der Xbox 360 / Playstation 3-Ära – ein Umstand, den diverse Nachrufe nach der lizenzbedingten Entfernung des Spiels aus Online-Shops im Januar 2024 würdigten. Yager wiederum wurde bereits 2021 vom chinesischen Gaming-Riesen Tencent übernommen. (Bild: 2K Games)
Ehrenwerte Erwähnungen
- Durch Free-to-play-Hits wie “Forge of Empires” oder “Elvenar” zählen die Hamburger von InnoGames zu den größten Entwicklerstudios der Bundesrepublik
- Deck 13 aus Frankfurt haben mit “Lords of the Fallen” und insbesondere den beiden “The Surge”-Teilen eigene Soulslikes veröffentlicht, die international Beachtung und Zuspruch gefunden haben
- Mit der fußballfokussierte Wirtschaftssimulation „Anstoss” und insbesondere dem zweiten Teil von 1997 haben Ascon (später Ascaron) aus Gütersloh seinerzeit einen mustergültigen Dauerbrenner erschaffen. Die beiden Teile des Action-RPGs “Sacred” (Teil 3 entstand bei Keen Games) fanden darüber hinaus globale Anerkennung
- Die dystopische U-Boot-Simulation “Schleichfahrt”, entwickelt von Massive Development (Mannheim) und vertrieben von Blue Byte, überzeugte 1997 durch dichte Atmosphäre
- Mit “Tropico 6” wurde die Mischung aus Politik-, Wirtschafts- und Aufbausimulation erstmals in Deutschland entwickelt: Limbic Entertainment aus Langen regierten. Ein siebter Teil entsteht derzeit bei den Gaming Minds Studios in Gütersloh